Die alte Weisheit hatte am Ende tatsächlich wieder einmal Bestand. Wer 1:0 führt, verliert. Der Trend dahin zeichnete sich diesmal aber relativ früh in der Begegnung ab. Die HSG 2020 Fichtelgebirge kam natürlich mit dem Gedanken im Gepäck in die Göbelhalle, sich insgeheim Hoffnungen auf 2 Auswärtspunkte zu machen, die die beiden Kontrahenten für den Moment in der Tabelle dann doch ein Stück weit voneinander entfernt hätten.

Dies wollten die Hausherren aber unter allen Umständen vermeiden. Mussten es auch der Tatsache schulden, mit einem negativen Punktestand ins Derby zu gehen. Wille kann ja zudem Berge versetzen und daran arbeiteten die Schützlinge von SG-Trainer Christian Seiferth von der ersten Minute an. Erst einmal Lunte gerochen, ging die SG mit 4:1 in Führung.

Einen Alleingang der Hausherren wollten die Fichtelgebirgler aber keinesfalls zustimmen und arbeiteten sich in den Folgeminuten ins Match zurück. 4:4, alles wieder offen, oder doch nicht? Die Minuten danach brachten schnell Klarheit. Es folgte eine Phase, in der die SG Helmbrechts/Münchberg einen Trumpf nach dem Anderen aus dem Ärmel zog.

Im Angriff wurde phasenweise wesentlich konzentrierter als zuletzt agiert. Mit mehr Bedacht, gutem Positionsspiel und deutlich besser vorbereiteten Angriffen. Dafür stehen 10 Treffer nach 25 Minuten. Dass genau zu diesem Zeitpunkt die Gäste erst mit 6 Toren an der Anzeigentafel standen, hatte gleich mehrere Gründe. Abwehr! Nicht nur ein Wort, dass gerade im Handballsport ein Spiel in die eine oder andere Richtung bewegen kann. Aber genau dort liegen auch oft die Defizite bei der SG. In dieser Partie war das aber aus deren Sicht endlich einmal ganz anders.

Da wurden plötzlich Stärken ins Spiel eingebracht, die man so in ihrer Kompaktheit über einen längeren Zeitraum selten gesehen hat. Kurz auf den Nenner gebracht. Fichtelgebirge biss sich an diesem Bollwerk fest. Da stand ein flexibler Abwehrblock, der das Wort Mauer tatsächlich verdient hat. Was dann noch durchkam, wurde nicht nur in Hälfte eins zu einem Thema, es wurde zum Dauerbrenner dieser Begegnung.

SG-Torhüter Lukas Hurt hatte das erwischt, was man im Sprachgebrauch einen Sahnetag nennt. Nur eben einen von denen, mit etwas mehr Sahne obendrauf. Er hielt zuhauf auch die schier unhaltbaren und die in Serie und derart spektakulär, dass die SG-Fans in der Halle schon früh aufstanden, um ihren Keeper stehende Ovationen zu zollen.

Die Gäste verzweifelten und gingen mit nur 7 erzielten eigenen Toren in die Kabine. Da war auf dem Gang zum Pausentee auch ein Stück weit Ratlosigkeit zu erkennen. Schlecht, unnötig oder vielleicht sogar sehr unplatziert geworfen, das hat die HSG 2020 in den allermeisten Fällen nicht. Nur Hurt war halt immer dort, wo letztlich auch das Spielgerät landetet.

Die Gastgeber gingen nicht nur mit 5 Toren Vorsprung, sondern auch mit gewaltiger Rückendeckung in die Halbzeit. Genau damit kamen die Gastgeber auch wieder auf´s Parkett zurück. Immer das Ziel vor Augen hier und heute als Sieger die Halle zu verlassen, ging man auch die zweiten 30 Minuten an. Immer mehr wurde deutlich, dass Spiele in der Abwehr gewonnen werden. Die SG lieferte Anschauungsmaterial im Minutentakt. Die Spielgemeinschaft aus Wunsiedel und Marktredwitz war kein Fallobst. Ganz im Gegenteil, die Mannschaft bot gepflegten Landesligahandball. Aber eben nur dort, wo es die SG zuließ.

Die wahre Abwehrstärke der Gastgeber war auch der Anzeigentafel zu entnehmen. Es dauerte immerhin bis zur 42. Minute, ehe Philipp Mocker, neben Daniel Bralic und Erik-Ludwig Hammer einer der HSG 2020-Aktivposten, mit dem 10. Teffer die Gäste zweistellig auf die Anzeige brachte.

Die wiederum antworteten im weiteren Verlauf für den Moment deutlich energischer. Vielleicht auch eine Trotzreaktion darauf, dass in der 36. Minute eher eine unglückliche Aktion bei einem Konter Johannes Wippenbeck zur Roten Karte verhalf. Fortan musste Fichtelgebirge seine Angriffe anders anlegen und kam dadurch jetzt auch häufiger zu Zählbarem.

Freilich, an der 5-Tore Führung der Gastgeber, die sich vom 20:15 bis zur Ziellinie wie ein roter Faden durchzog, änderte dies nichts mehr. Im Gegenteil. Die Seiferth-Schützlinge streuten jetzt ein paar Treffer ins Spiel, die in der Vorbereitung und Ausführung so häufig nicht zu sehen sind. Beispiele gefällig: Verdecktes Anspiel von Pritschet an Kritzenthaler und der mit Rückhandwurf vom Kreis aus. War nicht weniger spektakulär, wie die beiden sehenswerten Heber von Johannes Reif und Jonas Roßner, der den Ball in der Luft annahm und nur weitertippte.

Da flippten auch die Fans aus und trieben den Lärmpegel von Minute zu Minute immer weiter in die Höhe. Nein, setzen wollte man sich auch nicht mehr. Fichtelgebirge kam nach dem letzten Aufbäumen einfach nicht mehr heran. Da hatte Lukas Hurt etwas dagegen indem er in Serie 4 sogenannte 100ige Einwurfmöglichkeiten verhinderte.

Das wars dann. Der verdiente Derbysieger stand fest. Und fest standen auch weiterhin die SG-Fans. Sie hatten ihr Team stehend über die Ziellinie begleitet und weils so schön war, zog man das Klatschen und Trommeln noch ein Stück weit in die Länge.

Eine Frage bleibt im Raum stehen: Warum, ja warum nur steht dieser Auftritt für den ersten in dieser Art in der laufenden Saison und warum nicht diese Abwehrleistung immer? Dann hätte sich wahrscheinlich früh die eine oder andere Sorge in Richtung Tabellenbild von selbst beantwortet. Genau an diesem Punkt knüpfen beide Trainer mit ihrem Resümee an.

Stefan Tröger von der HSG 2020 Fichtelgebirge:
Wir können im fremder Halle einfach nicht unsere komplette Leistung abrufen. Vor allem in Angriff hat heute das flüssige Lauf- und Kombinationsspiel gefehlt. Es waren oft die Einzelaktionen die nichts Zählbares brachten.

Zudem stand im SG-Tor mit Hurt ein Keeper, der selbst die besten Würfe entschärft und es uns nicht ermöglichte, einmal in Schlagweite zu gelangen.

Christian Seiferth von der SG Helmbrechts/Münchberg:
Unser Team hat heute mit absoluter Geschlossenheit und mit unbedingtem Willen hochverdient die beiden Punkte im Frankenwald behalten. Die gut agierende Abwehr mit einem überragenden Lukas Hurt waren der Garant dieses Erfolges.

SG Helmbrechts/Münchberg – HSG 2020 Fichtelgebirge 25:19 (12:7)

SG Helmbrechts/Münchberg
Behrens, Hurt (Tor);
Kalas (6), Panzer, Aust (3/3), Kritzenthaler (2), Reif (3), Mayer (1), Merz (2), Peetz, Lad (1), Troßmann (3), Roßner (2), Pritschet (2).

HSG 2020 Fichtelgebirge
Brosko, Gruber (Tor),
Burger (2), Bralic (3/1), Berger (1), Flasche, Wippenbeck (2), Hammer (4), Schlitter, Mocker (3), Danielka (3), Koritska, Birner (1).

Schiedsrichter: Hirt/Menz (Volkach)

Zuschauer: 460

Zeitstrafen: 4; 5.

Rote Karte: 36. Minute Johannes Wippenbeck (HSG 2020) wegen Foulspiel

Siebenmeter: 3/3; 4/4.

Spielfilm: 0:1, 4:1, 4:4, 9:4, 10:6, 12:7 (HZ); 15:8, 17:10, 20:13, 20:15, 22:17, 25:19.